Du wurdest am Ende des Vortrages aus dem Publikum gefragt, warum in »Moving Parts« gezeigt wird, dass wir uns in Zukunft nicht mehr bewegen sollten. Das wäre nicht wünschenswert. Diese Frage aus dem Publikum hat den Kern getroffen. Es geht nicht darum, dass es das ist, was wir uns wünschen. Auch nicht das, was wir uns nicht wünschen. Wir zeigen eine Möglichkeit in sehr greifbarer Form. Diese Möglichkeit ist da, sie bietet unglaublich viele Anknüpfungspunkte darüber nachzudenken. Dazu kann ich sagen: Klar, du kannst dich in diesem Zukunftsszenario auch bewegen! Andererseits lässt es auch den Rückschluss zu, dass wir an einer Zukunft arbeiten, in der der Menschen als körperliche und nicht-bewegende Einheit betrachtet wird.
Siehst du einen klaren Nutzen für Unternehmen, solche Zukunftsartefakte mit dem Berliner Ideenlabor zu erschaffen. Wir erschaffen gerade das dritte Artefakt, das uns über das Heute lehren soll. Es geht uns um das erschaffen eines Prozesses, nicht um das Thema per se. Daher freuen wir uns immer über mutige Projektpartner, egal aus welcher Branche. Unternehmen müssen manchmal ihren Wohlfühlbereich verlassen und das eigene Fortbestehen hinterfragen, wenn sie über Zukünfte sprechen wollen. Die Zukunft ist mit vielen Unsicherheiten besetzt. Wenn wir über das Morgen sprechen, sind wir noch zu sehr im Heute verhaftet und verwurzeln uns in technischen oder politischen Fragen, fragen aber nicht: wie wünschen wir uns das eigentlich? Wir wollen erst einmal alle Limitationen beiseite lassen und weit in die Zukunft blicken. Mit greifbaren Artefakten gehen wir dann den Weg zurück ins Heute. Es geht nicht um die Objekte, die wir geschaffen haben, die für die Zukunft stehen, sondern viel mehr die Reaktionen der Menschen, mit denen wir dazu sprechen. Wir suchen nach Wünschen, Nicht-Wünschen oder Ansatzpunkten, um relevante Produkte und Services für die Zukunft gestalten zu können.
Hast du den Eindruck, dass die Menschen mit diesen Zukunftsbildern umgehen können? Der Prozess, den wir entwickelt haben, macht es greifbarer. Es ist schwierig sich einfach hinzustellen und zu fragen: Wie stellst du dir die Zukunft vor oder wie stellst du sie dir nicht vor? Da sind wir wieder bei Annahmen. Wir wollen ermutigen nicht mehr über Kleinigkeiten nachzudenken, sondern das Große Ganze zu sehen. Das ist der klare Nutzen, den wir für Unternehmen darin sehen: Einerseits die Möglichkeit über Zukunftsbildern Kommunikation zu der eigenen Existenz im Morgen aufzubauen und andererseits mit Nutzern in Kontakt zu treten zu Themen, die sonst nicht auf den Tisch kommen.
Wie nutzen die Unternehmen diese Learnings für sich? Hinzuschauen, wo es hingehen könnte, ist schon ein für sich stehendes Ergebnis. Wenn kein Bild kreiert werden kann, in dem man selbst eine wichtige Rolle spielt, ist die Frage: Warum existieren wir? Was ist der Nutzen für die Nutzer, dass es uns gibt? Oder wie können wir uns anpassen? Es reicht nicht zu fragen: Was bringt uns die meiste Kohle? Die Auseinandersetzung mit wünschbaren oder nicht-wünschbaren Zukünften hilft mit Unsicherheiten der Zukunft umzugehen.
Wer meldet sich im Idealfall bei euch im Berliner Ideenlabor? Jeder, der sich dafür interessiert, jeder, der Zukunft und Gesellschaft mitgestalten kann. Das können große Unternehmen sein, das können NGOs sein, das können Wissenschaftler sein. Es ist nicht exklusiv, es hat für jeden Relevanz. Die Frage ist, wie man danach damit umgeht und die Ergebnisse in seinen eigenen Kontext einordnet.
Du hast am Anfang davon gesprochen, dass ihr gerade das 3. Artefakt schafft. Der Prozess hat sich lang angehört. Wie kann ich mir vorstellen, dass ihr das in Tagesworkshops integriert? Im ersten Schritt würden wir ko-kreativ Zukunftsbilder über verschiedene Methoden schaffen. Über Trends, über eine STEEP-Analyse, über eine Szenario-Konstruktion. Wenn wir über spekulative Artefakte sprechen, könnte man sagen: Wir verorten ein Artefakt, ein Produkt, genau in dieser Zukunft. Wie sieht der Reisepass aus, in einer Welt, in der es keine Grenzen gibt, wie sieht er aus in einer Welt, in der es nur noch Grenzen gibt. Wie sieht das Auto aus, in einer Welt, in der es keine Autos mehr gibt und wie sieht das Auto aus in einer Welt in der es keinen öffentlichen Nahverkehr mehr gibt. Wie sieht der Autoschlüssel aus, in einer Welt, in der keiner mehr ein Auto besitzt? Wie sieht die Car-Sharing-App aus, in einer Welt, in der es keine Handys und Autos mehr gibt. Wir wollen Lücken schließen, zwischen dem Heute und der Zukunft.