Wie können wir Diskriminierung in ko-kreativen Prozesse entgegenwirken?
Ein Interview mit Elimu

Diskrimierungssensible Bildung
Teilhabe durch Diskriminierungs-sensibilität stärken
Juni 2022
Die Gesellschaft von Morgen wollen wir gemeinsam gestalten. Wie aber geht das, in einer Welt, in der nicht alle die gleichen Möglichkeiten genießen und unser Denken immer noch stark von diskriminierenden Machtstrukturen geprägt ist? Als Berliner Ideenlabor tragen wir die Verantwortung in unseren Projekten inklusiv und sensibel zu arbeiten. Bei unseren Workshops, Nutzer_innenrecherchen und Prozessen, möchten wir die Bedürfnisse aller Menschen mitdenken und gleichberechtigte Teilhabe stärken.

Noomi Arndt und Anette Ganter bieten als Elimu Trainings und Beratungen zum Thema diskriminierungssensible Bildung an. Wir haben selbst bereits ein solches Training besucht und bei der Workshopreihe Start with a Friend Home wiederholt mit Elimu zusammen gearbeitet. In diesem Interview sprechen sie darüber, wie gleichberechtigte Teilhabe gelingen und mit diskriminierungssensibler Bildung gesellschaftliche Machtstrukturen abgebaut werden können.
Wissen ist Macht
Liebe Noomi, liebe Anette, zusammen seid ihr Elimu. Warum brauchen wir diskriminierungssensible Bildung? Anette: Die Begriffe Rassismus und Diskriminierung sind zwar allgegenwärtig sind, aber viele Menschen hantieren damit, ohne genau zu wissen was damit gemeint ist. Wir sind der Meinung, das Wissen Diskriminierung abbauen und Haltungen ändern kann und wir haben gemerkt, dass dieses Wissen oft fehlt.
Noomi: Viele Diskriminierungen passieren unbewusst und ohne böse Absicht. Mit unseren Trainings und Beratungen wollen wir diese Menschen abholen und ihnen helfen Diskriminierung zu erkennen und sich zu reflektieren.
»Viele Diskriminierungen passieren unbewusst und ohne böse Absicht. «
Noomi Arndt, Elimu
Gesellschaftliche Machtverhältnisse herrschen überall
Wir arbeiten bei Veranstaltungen und Workshops häufig mit diversen Team an ko-kreativen Projekten. Warum sollten gesellschaftliche Ungleichheiten mitgedacht werden?

Noomi: Grundsätzlich ist es wichtig einfach immer einen sensiblen Umgang mit anderen Menschen zu pflegen, egal in was für einem Kontext man sich befindet. Wir können nie wissen, wer uns gegenübersteht und welche diskriminierenden Aussagen, diese Person verletzen.
Jeder Mensch ist mehr als seine Diskriminierung, deshalb sollten wir bei jeglichem Thema, diskriminierungssensibel handeln. Sonst heißen wir nicht alle willkommen und sind nicht für alle offen und zugänglich.

Anette: Bei der Planung einer Veranstaltung wissen wir beispielsweise nie, ob Menschen kommen, die im Rollstuhl sitzen aber wenn Menschen kommen muss der Ort barrierefrei sein. Das bedeutet das einfach immer mitgedacht werden muss, welche Bedürfnisse unterschiedliche Menschen haben.
Eigentlich ist jede Gruppe Menschen divers, es reicht, dass zum Beispiel mehr als ein Geschlecht vertreten ist. Deshalb müssen wir gesellschaftliche Machtverhältnisse immer berücksichtigen und aktiv dagegen vorgehen.
»Jeder Mensch ist mehr als seine Diskriminierung, deshalb sollten wir bei jeglichem Thema, diskriminierungs-sensibel handeln.«
Noomi Arndt, Elimu
Wer kommt zu Wort, welche Stimmen, Bedürfnisse werden gehört? Inklusive Partizipation
Wieso passiert es immer wieder, dass nur bestimmte Menschen in den Fokus genommen und andere übergangen werden?

Noomi: Da gibt es verschiedene Gründe. Wenn Teams nicht divers sind, werden nur ganz wenige Perspektiven der Gesellschaft abgedeckt. Aber selbst wenn ein Team aus sehr verschiedenen Menschen besteht, fehlt häufig der Rahmen und die Offenheit, sodass marginalisierte Menschen, nicht ehrlich ihre Ideen, Meinungen und Gedanken teilen können.

Beim Design Thinking geht es darum, menschenzentriert, futures Thinking positive Zukünfte für alle entwerfen. Mit unseren Methoden wollen wir gemeinsam mit den Menschen bedürfnisorientiert sind
Wie kann verhindert werden, dass während des Ko-Kreations-Prozesses Diskriminierungen reproduziert werden? Wie lässt sich Ko-Kreation diskriminierungssensibel gestalten? Welche Methoden fördern einen diskriminierungssensiblen Austausch?
Worauf sollte wir bei einem Workshop achten
, was sind beispielhaft Dinge, die ich beachten kann?

Anette: Es ist immer wichtig die Gruppe anzuschauen. Je nach Gruppe sind verschiedene Methoden passend. Wenn z.B. eine Gruppe aus Menschen besteht, die Rassismus erfahren, dann ist es wichtig einen Safer Space zu schaffen. … Unisex Toiletten,
Wenn in einer Gruppe Menschen sind, die nicht sehr gut deutsch sprechen und verstehen können, muss dies berücksichtigt werden. Lösungsideen wären dann z.B. eine andere Sprache zu finden, die alle verstehen, mit Dolmetscher_innen zusammen zu arbeiten oder die Arbeitsanweisungen mehrsprachig zu verfassen.


Wir haben vor dem Workshop auch über die verschiedenen Redeanteile der Teilnehmenden gesprochen. Ihr habt angemerkt, dass es nicht unbedingt darum geht, dass alle den gleichen Redeanteil bekommen, sondern manchmal Meinungen und Wissen bestimmter Menschen mehr Gehör bekommen sollten. Könnt ihr das nochmal erläutern?

Anette: Redeanteile und Sprechzeiten sind Privilegien die wir haben. Meist ist es so, dass beispielsweise weiße Menschen in unserer Gesellschaft viel mehr Redeanteile haben als Menschen die nicht-weiß, oder nicht Erst-Sprachler_innen sind.
(Bei Start with a Friend, geht es darum gemeinsam einen Raum zu gestalten, in einem Prozess, an dem alle teilhaben.) Die Gruppe besteht auch aus Menschen, die migriert sind, ein erster Schritt wäre diesen Personen mehr Redeanteile zu geben.
So kann auch verhindert werden, dass privilegierte Menschen über andere Menschen reden und meinen besser zu wissen, was diese Menschen brauchen. Das ist eine übergriffige, verletzende und vor allem nicht zielführende Denkweise, schließlich geht es darum die wirklichen Bedürfnisse zu erfüllen. Deswegen können in bestimmten Kontexten bestimmte Meinungen auch mehr oder anders gewichtet werden.

»Diskriminierung findet immer, überall und in jedem Lebensbereich statt. Es sind die gleichen Strukturen, die in allen Bereichen, ob in einem Unternehmen für Küchengeräte, oder einem ehrenamtlichen Verein, gleich funktionieren…«
Anette Ganter, Elimu
Eine Zukunft ohne Diskriminerung?
Im Berliner Ideenlabor möchten wir positive Zukünfte entwerfen. Was für eine Zukunft wünscht ihr euch? Backcasting, welche Meilensteine braucht es?

Anette: Eine Welt ohne Diskriminierung gibt es nicht. Deswegen ist es uns ein Anliegen zu schauen, was sich in den nächsten 10 Jahren ändern lässt. Ein kleiner Schritt, wäre das die Wichtigkeit des Themas überall anerkannt wird.
Das Gleichbehandlungsgesetz schreibt vor, dass es überall Beschwerdestellen geben muss. Es wäre eine große Veränderung, wenn Menschen, die Diskriminierung an ihrem Arbeitsplatz oder in der Schule erleben diese Diskriminierungen zu melden und sich dabei sicher zu fühlen. Das es normal wird, sich von einer Antidiskriminierungsstelle unterstützen zu lassen und auf diskriminierendes Verhalten auch Konsequenzen folgen können.

Noomi: Elimu ist Swahili und heißt Bildung, genau da müssen wir ansetzen. Es könnte ein Standard Schulfach dazu geben. Lehrer_innen könnten diskriminierungssensibel geschult werden und bereits kleine Kinder damit in Kontakt kommen.
Und größer gedacht: Um die Zukunft die wir uns wünschen zu kreieren, muss auch auf politischer Ebene Veränderung passieren. Das beispielsweise trotz des Attentats in Hanau Karneval gefeiert wurde, gibt mir nicht das Gefühl von Wertigkeit und Gleichberechtigung.


Transformation
Was muss passieren, um diese Zukunft zu erreichen? Wie setzt sich Elimu dafür ein?
Noomi: Was mit unseren Trainings immer wieder zeigen können, ist das es letztendlich für jeden Menschen und jede Art von Unternehmen und Institutionen Sinn ergibt, sich mit diskriminierenden Strukturen zu beschäftigen und diese abzubauen. Und zwar aus allen Perspektiven: Inklusiv und divers zu arbeiten ist wirtschaftlich, verbessert das Arbeitsklima, führt zu besseren Ideen und vergrößert die Zielgruppe. Es kann nur gewinnbringend sein, sowohl auf persönlicher Ebene, als auch für das Unternehmen.
Genau wie es Greenwashing gibt, sehen wir nun auch immer öfter Diversity Washing. Das funktioniert natürlich nicht, aber sich selbst und das Team zu schulen kann wirklich Veränderung bringen.
»Wichtig ist auch noch zu sagen, dass es eine lebenslange Aufgabe sich immer weiter diskriminierungssensibel fortzubilden. Workshops können dabei Denkanstöße sein.«
Anette Ganter, Elimu


Anette und Noomi
ELIMU


Workshops, Fortbildungen, Beratung und Seminare zum Umgang und Erkennen von rassistischen und diskriminierenden Strukturen und Verhaltensweisen als auch speziell zum allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.
Anette Genther und Noomi Arndt lernten sich in ihrem Master interkulturelle Bildung und Mehrsprachigkeit kennen. Beide haben sich auf den Themenbereich Rassismus spezialisiert. Gerade promovieren sie im Bereich Bildung, Rassismus und Schule.

Webseite // Instagram

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